Vor rund
Hundert Jahren entdeckten die Künstler das Westufer des
Ammersees und sein anmutiges Hinterland. Das
kleine Dorf Holzhausen wurde dabei zu einer Künstlerkolonie,
von der die Chronisten unserer Tage nur mit Ehrfurcht
sprechen. Zuerst erwäh-nen sie zumeist den Namen Thöny.
Eduard Thöny war der bekannteste Zeichner des seinerzeit
so populären Simplicissimus und genoß inter-nationales
Ansehen. Die knapp skiz-zierte Karrikatur erhob er in den
Rang eines Kunstwerks. Seit Erschei-nen der Wochenschrift
"Simplicis-simus" war Thöny fast in jeder Aus-gabe
mit seinen Zeichnungen und Bildern vertreten. In seinem
Haus in Holzhausen, das er 1908 erwarb, em-pfing er so
promi-nente Besucher wie seinen "Simplicissimus"-Kollegen
Olaf Gulbransson, dessen Porträt-karrikaturen gefürchtet
waren. Auch einen Tennisplatz, damals eine Neuigkeit in
Deutschland, ließ Thöny auf seinem Anwesen anlegen.
Erst wenige Jahre vorher hatte man das Tennisspiel, aus
England kommend, auf dem Kontinent eingeführt, und nun
schwangen bereits in Holzhausen die Herren mit Stehkragen
und Sakko und die Damen in langen Kleidern das Racket; so
beschreibt wenigstens Wolfgang Münzer die Szene...
Elegante Motive, wie sie Thöny in Zeichnungen und Gemälden
so häufig verwandte, ließen sich also auch in dieser ländlichen
Umgebung finden. Die ländliche
Umgebung war es, die nicht nur Thöny magisch anzog. Als
ab 1919 die fünfköpfige Familie Thöny in Holzhausen
ansässig wurde, war deren gastliches Haus bald Treff-punkt
interessanter Leute aus Kunst und Literatur. Franz von
Defregger kam und auch Ludwig Thoma. 1950 starb Thöny 84-jährig.
Auf dem Friedhof in Holzhausen fand er seine letzte
Ruhestätte. Die Straße von Utting nach Holzhausen trägt
noch heute seinen Namen. Den
Anstoß zur Bildung der Künstlerkolonie Holzhausen gaben
Matthias und Anna Sophie Gasteiger, die hier seit 1902
ihren Lebensmittel-punkt hatten und - wie sollte es
anders sein - ein gastliches Haus zu führen verstanden.
Gasteiger war jener Mann, der eine Reihe Münchner
Brunnen, auch das bekannte "Brunnenbuberl" am
Stachus in München, schuf. Seine Frau war als
Blumenmalerin bekannt geworden. Ihre
Ateliers errichteten am Ammersee ferner die "Scholle"
Maler Fritz Erler, Walter Georgi und Adolf Münzer.
"Mußt Deine eigne Scholle beackern, die
siebengescheiten Nachbarn laß gackern". Nach diesem
Reim des Schriftstellers Michael Georg Conrad benannte
sich die Künstlervereinigung "Scholle", deren
Mitglieder (nach dem Beispiel ihres Lehrers Höcker von
der Münchner Kunstakademie), statt im Atelier zu malen,
in die Natur hinausgingen, um dort die Farben unter dem
Einfluß des Sonnenlichts in sich aufzunehmen. Erler war
ein führender Repräsentant der "Scholle".
Seine kunstgewerb-lichen Entwürfe, angefangen von Vasen
und Glasfenstern bis hin zu Möbeln sowie
Innendekorationen, entsprachen dem, was wir heute
Jugendstil nennen. Als die Zeitschrift Jugend, die
dieser Stilrichtung den Namen gab, 1896 erstmals
erschien, wurde das Titelbild der ersten Ausgabe von
Erler gestaltet. Laufend publizierte diese Zeitschrift
dann seine Arbeiten.
Jugend
und Simplicissimus wurden beide im Jahre 1896 gegründet.
Erlers allegorischen Wandbilder waren zu seiner Zeit berühmt.
Viele Entwürfe entstanden in Holzhausen, wo er sich seit
1912 sein Atelierhaus erbaute. Er blieb seinen nordischen
Stilelemen-ten treu, auch, als der Jugendstil sich überlebt
hatte und neue Richtungen aufkamen. 1940 starb er im
Alter von 72 Jahren. Wer ist
der Künstlerkolonie Holzhausen noch hinzuzurechnen? Professor
Adolf Münzer, Walter Georgi, der Graphiker und
Illustrator Paul Neu, Kurt Alexander Kühn (1880 bis 1957),
der Maler Otto Weil (1884 bis 1929), der im Jahre 1923
mit seiner zweiten Frau hier ansässig wurde. Die Malerin
Clara Ewald, die 1938 emigrierte. Ihr Haus in Holzhausen
wurde nach ihrer Flucht zeitweise als Kinderheim genutzt.
Der Maler Leopold Durm, der sich vom Einfluß der "Scholle"-Künstler
freimachte und dessen Stil sich zum Monumentalen wandelte.
Er starb 1918 mit nur 40 Jahren. Der Maler Werner Klamann-Parlo,
der neun Jahre, bis 1940 in Holzhausen lebte. Der
Bildhauer York Koertin-Fischer. Der Architekt Hans
Holzbauer (1898 bis 1939), der seit 1933 in Holz-hausen
wohnte und dort beerdigt wurde. Der Maler Hans-Jakob
Mann, der von 1945 bis 1960 Bürger von Holzhausen war.
Sie alle
gaben dem kleinen Dorf am See über Jahrzehnte ein Flair
von Bohème. Die Atmosphäre des Holzhausener "Sonnenhofs",
wo sich das fröhliche Malervolk oft traf, ist nüchterner
geworden, die Ausstrahlung jener Tage verblaßt. Nur die
Erinnerung an die Künstlerkolonie ist geblieben. Touristik-Institut Landsberg |